Aktuelle Sonderausstellungen im Ägyptischen Museum
Das Ägyptische Museum bietet neben seiner Dauerausstellung immer wieder wechselnde Sonderausstellungen an. Die aktuellen Sonderaustellungen sind im Folgenden aufgelistet.
Masterpiece oder „Religion für Arme“?
Überraschende Aspekte des Bonner Kalksteinreliefs BoSAe 2113
Ab 10. November 2021; verlängert auf unbestimmte Zeit
Die auf den ersten Blick eher unscheinbare dekorierte Steintafel mit der Inventarnummer BoSAe 2113 wurde vor rund 120 Jahren von Prof. Alfred Wiedemann (1856–1936), dem Gründungsvater der Bonner Ägyptologie, in Luxor/Ägypten erworben. Von ihm damals als „Vorlage für eine Stele“ angesprochen, galt sie bis vor kurzem als einfaches Bildhauerlehrstück, dem keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Im Rahmen aktueller Forschungen des SiSi-Projekts stellte sich jedoch überraschend heraus, dass dieses Objekt weit mehr ist als ein bloßer Entwurf oder ein Lehr- oder Übungsstück. Religions- wie kunstgeschichtliche Aspekte erheben es in den Rang eines bislang unbekannten und unerkannten Bonner Masterpiece. Was aber macht das rund 3200 Jahre alte Artefakt zu einem solch spannenden Objekt?
Eine große Besonderheit dieser Steintafel ist zunächst ihre Doppelgesichtigkeit, da sie sowohl von ihrer Vorder- als auch von ihrer Rückseite aus betrachtet und „gelesen“ werden kann. Dabei nehmen die Darstellungen und Motive auf beiden Seiten Bezug aufeinander, ergänzen sich und bilden so ein außergewöhnliches Zusammenspiel von verschiedenen kultisch-religiösen Bedeutungen. Während die Vorderseite offenbar ganz der Sphäre der formalen „offiziellen Religion“ gewidmet ist, kommt auf der Rückseite eine stärker „private Religion“ oder „persönliche Frömmigkeit“ mit größerer Flexibilität und Individualität zum Ausdruck. Hier thematisiert ein (uns unbekannt bleibender) Mensch seine persönliche Nähe zu einer bestimmten Gottheit, in diesem Fall zur Göttin Mut. Diese Göttin war Teil der für das Königtum des Neuen Reiches (ca. 1550–1070 v.Chr.) enorm bedeutsamen Götterdreiheit von Theben in Oberägypten – die sog. Thebanische Triade, bestehend aus Amun, Mut und Chons –, doch fehlt sie auffälligerweise unter den auf der „offiziellen“ Vorderseite gezeigten Gottheiten. Sie scheint jedoch auf der Rückseite der Steintafel in besonders „privater“ Form von diesem (anonym bleibenden) Individuum dargestellt und angebetet worden zu sein. Dies äußert sich in einem dort ausgestalteten Löwenkopf sowie drei menschlichen Ohren, die symbolisch für diese Göttin (Löwenkopf) bzw. für ihr Erhören der persönlichen Bitten und Gebete (Ohren) stehen.
Vermenschlichte Zeichen als Schlächter
Singuläre Ikonographie als Spuren sozio-politischer Veränderungen im ägyptischen Niltal des Mittleren Reiches (2. Jahrtausend v. Chr.)
Ab Juni 2021 (virtuelle Sonderausstellung)
Das Ägyptische Museum der Universität Bonn eröffnet erstmals eine virtuelle Sonderausstellung. Im Mittelpunkt der digitalen Schau "Vermenschlichte Zeichen als Schlächter: Singuläre Ikonographie als Spuren sozio-politischer Veränderungen im ägyptischen Niltal des Mittleren Reiches (2. Jahrtausend v. Chr.)" steht eine außergewöhnliche, ja einmalige Schlachtungsszene aus dem monumentalen Grab des Fürsten Wahka II. in Qau el-Kebir in Mittelägypten.
Darstellungen von Rindern und ihrer Schlachtung waren den Gräbern der wohlhabenden Ägypter vorbehalten. Sie sollten die ewige Fleischversorgung des Toten im Jenseits sichern, da nach ägyptischer Auffassung Darstellungen und Grabbeigaben auf magische Weise real wurden. In der Ausstellung wird diese einmalige Schlachtungsszene, in der vermenschlichte Zeichen oder Symbole die Rolle von Schlächtern übernehmen, in Zeichnung und Rekonstruktion vorgestellt und in ihren verschiedenen Sinnebenen erläutert.
Die von der Bonner Universitätsstiftung geförderte Ausstellung wurde von Dr. Ghada Mohamed (Universität Kairo) konzipiert, die erst kürzlich an der Universität Bonn als DAAD-Stipendiatin erfolgreich ihre Promotion über die Bedeutung anthropomorphisierter Zeichen im alten Ägypten abgeschlossen hat. Unter anderem aus dem Objektbestand des Ägyptischen Museums werden konventionelle Schlachtungsdarstellungen dieser einzigartigen Szene gegenübergestellt.
Die Sonderausstellung wird auf Deutsch und Arabisch präsentiert und kann in Gestalt eingebetteter PDFs im Rahmen des virtuellen 360°-Rundgangs durch das Museum abgerufen werden.
Kaiserliche Pharaonen – Pharaonische Kaiser
Die Herrschaft der römischen Principes zwischen Republik und ägyptischem Königtum
Verlängert auf unbestimmte Zeit
Die Ausstellung „Kaiserliche Pharaonen – Pharaonische Kaiser“ thematisiert die Herrschaftsinszenierung römischer Kaiser im Kontext des ägyptisch-römischen Kulturkontaktes. Im Zentrum der Betrachtung steht das ideologische Spannungsfeld zwischen dem römischen Principat und dem ägyptischen Königtum. Der römische Kaiser als Herrscher auch über Ägypten tritt dabei in zwei verschiedenen Rollen und Funktionen auf und wird entsprechend unterschiedlich repräsentiert. Die Ausstellung zeigt einerseits die Formen, in denen er auf Monumenten in Ägypten dargestellt wird, sowie andererseits die ägyptische Bild- und Formsprache, mittels derer der römische Kaiser seinen Herrschaftsanspruch über Ägypten in Rom präsentiert. In einem Seitenblick werden Auswirkungen auf das Alltagsleben der ägyptischen Bevölkerung beleuchtet.
Exemplarisch werden die Herrschaftsinszenierungen für Augustus, Domitian und Hadrian dargestellt. Augustus (31 v.–14 n.Chr.) nimmt allein dadurch eine Sonderstellung ein, dass er nach der Eingliederung Ägyptens in das römische Reich der erste römische Herrscher über Ägypten war. Seine Repräsentation in Ägypten und die für ihn entworfene pharaonische Titulatur waren Vorbild für alle folgenden Kaiser. Unter ihm geprägte Münzen – u.a. mit dem „Aegypto capta“-Motiv – und nach Rom verbrachte ägyptische Monumente dokumentieren den Herrschaftsanspruch über das Land am Nil.
Unter den Flaviern gewinnt der Isis-Kult im römischen Reich an Bedeutung. Erstmals stellt sich nun auch der Kaiser unter den Schutz der ägyptischen Göttin. Ein zentrales Objekt ist der hieroglyphisch beschriftete Obelisk des Domitian in Rom, auf dem Domitian (81–96 n.Chr.) als „geliebt von Isis“ bezeichnet wird und seine Krönung durch die Göttin dargestellt ist.
Auch unter Hadrian (117–138 n.Chr.) finden sich neben den ägyptischen Elementen in seiner Villa in Tivoli einzigartige Ägyptenbezüge. Hieroglyphische Inschriften aus seiner Zeit enthalten Übersetzungen römischer Termini ins Ägyptische, und auf der Nilinsel Philae wurde eine mythologisch hochgradig aufgeladene Darstellung des Nil-Ursprungs angebracht.
Ausstellungseröffnung: 17. Juni 2019, 18:30 Uhr (freier Eintritt)
Kontakt
Ägyptisches Museum der Universität Bonn
+49 (0)228 / 73-7360
Regina-Pacis-Weg 7
53113 Bonn
Dr. phil. habil. Frank Förster
Ägyptisches Museum Bonn
Poststraße 26
53111 Bonn