Universität Bonn

Institut für Archäologie und Kulturanthropologie

Die Antikenalben des Alphonsus Ciacconius


Projektbeschreibung

Das Projekt dient der wissenschaftlichen Erschließung der Antikenalben des Alphonsus Ciacconius. Hierbei handelt es sich um eines der größten zusammenhängenden Corpora von Antikenzeichnungen und -kommentaren des 16. Jahrhunderts.

Alonso Chacón (*1530 †1599), latinisiert Alphonsus Ciacconius, war ein spanischer Antiquar und Gelehrter, der von 1567 bis zu seinem Tod im Jahre 1599 in Rom lebte. Eines seiner altertumswissenschaftlichen Vorhaben war eine auf mehrere Bände angelegte Publikation der "Antiquitates Romanae" ,eine Art bebildertes Kompendium zu den römischen Altertümern. Hierfür stellte er eine Reihe von Zeichnern an, die die römischen Sammlungen ihrer Zeit aufsuchten, um die dort befindlichen Antiken zu dokumentieren. Diese Zeichnungen wurden von Ciacconius anschließend mit lateinischen Kommentaren zu Benennung, Material, Fund- und Aufstellungsort sowie zur historischen Bewertung versehen. Das groß angelegte Unternehmen gelangte jedoch nie zur Publikation. Chacón ließ die beschrifteten Zeichnungen gleichwohl sorgsam in Leder binden und verwendete die Rückseiten sowie die leeren Zwischenblätter als eine Art wissenschaftliches Notizbuch zur Altertumskunde.

Nach dem Tod Chacóns wurden die Zeichnungsalben zusammen mit der umfangreichen Bibliothek verkauft. Einige der Alben wurden in späteren Jahrhunderten auseinandergenommen, die Zeichnungen herausgeschnitten und aufgeklebt zu neuen Alben zusammengestellt. Das derzeit bekannte Material des Corpus Ciacconianum umfasst 1.100 Manuskriptseiten mit rund 800 Zeichnungen und findet sich heute über mehrere Länder und Bibliotheken verstreut.

Hervorzuheben sind die Konvolute in:

  • Rom, Biblioteca Angelica Ms. 1564 (link)
  • Pesaro, Biblioteca Oliveriana Ms 59 (link)
  • Braunschweig, Herzog Anton Ulrich-Museum H 27 Bd. 32

Keines dieser Zeichnungs-Konvolute wurde bislang vollständig ediert. Die Manuskripte Rom, Biblioteca Angelica Ms. 1564 und Pesaro, Biblioteca Oliveriana Ms. 59 wurden bislang lediglich in Auszügen bekannt gemacht. Das Klebealbum im Braunschweiger Herzog Anton Ulrich-Museum Inv. H 27 Bd. 32 war bis vor kurzem der Forschung so gut wie unbekannt. Im >Census of Antique Works of Art and Architecture Known in the Renaissance< sind lediglich 17 der ca. 800 Zeichnungen erfasst. Es handelt sich somit um weitgehend unpubliziertes Material, dessen archäologische, kunsthistorische und sammlungsgeschichtliche Erschließung ein dringendes Desiderat darstellt.

Die zwischen 1567 und 1590 entstandenen Zeichnungen bilden aufgrund ihrer großen Zahl eine wichtige Informationsquelle zu den römischen Sammlungen und zum Antikenverständnis des 16. Jahrhunderts. Die meisten ragen zudem durch ihr großes Format und eine ungewöhnliche Zeichentechnik heraus: Sie wurden in einer sog. Zwei-Kreidentechnik ausgeführt, bei der neben Bleistift und schwarzer Kreide auch rote Kreide zum Einsatz kam. Soweit erkennbar, wurden diese großformatigen Zeichnungen vor den Originalen angefertigt. Im Mittelpunkt des Interesses standen Porträts der römischen Antike, aber auch Götter, mythologische Figuren und griechische Geistesgrößen. Da es sich in ca. 80% der Fälle um die ältesten bildlichen Nachweise der dargestellten Skulpturen handelt, besitzen sie einen kaum zu überschätzenden Zeugniswert für die Sammlungs-, Rezeptions- und Ergänzungsgeschichte der betreffenden Objekte. Daneben finden sich auch kleinere, meist reich kommentierte Federzeichnungen, die häufig nach älteren Vorlagen kopiert und nach inhaltlichen Gesichtspunkten zusammengestellt sind. Der besondere Aussagewert der Alben für die Antikenrezeption der frühen Neuzeit beruht auf den handschriftlichen Kommentaren Chacóns: Rund zwei Drittel der gezeichneten Objekte sind benannt und mit weitergehenden Angaben versehen, wobei nicht selten noch gelehrte Hinweise auf antike Schriftquellen angefügt sind. Auf diese Weise erfahren wir von immerhin 65 Antikensammlungen, die sich zwischen 1567 und 1590 in Rom befanden.

Projektphasen

Phase 1: Digitalisierung und Sichtung der Alben
In einer ersten Projektphase (2015 – 2017) konnten dank der tatkräftigen Unterstützung der besitzenden Institutionen in Rom, Pesaro, Braunschweig und Florenz alle Alben digitalisiert werden. Dies bot die Grundlage für ein interdiszplinäres Kolloquium im Jahr 2017 (s. unten).

Phase 2: Philologische Erschließung der Alben
Ein eigenes Teilprojekt bildet die philologische Erforschung der handschriftlichen Kommentare und der ca. 600 dicht beschrifteten Manuskriptseiten. Neben Detailangaben zu den Objekten, hermeneutischen Überlegungen Chacóns und Zitaten aus antiken und nachantiken Schriftquellen bieten die Kommentare Aufschlüsse zur Struktur der Alben mit ihren verschiedenen Nutzungsschichten. Dies eröffnet neue Einblicke zur Wissenschaftsgeschichte, zumal zur Entstehung der Altertumskunde im 16. Jahrhunderts

Phase 3: Datenbankmäßige Aufbereitung der Alben

Die philologische Sichtung bildete die notwendige Grundlage für die datenbankmäßige Erschließung der Alben, die in einer dritten Projektphase seit 2022 erfolgt. In Kooperation mit dem Forschungsarchiv für Antike Plastik am Archäologischen Institut der Universität Köln werden die Zeichnungen derzeit in die Arachne-Datenbank/iDAI.objects arachne des Deutschen Archäologischen Instituts eingepflegt (s. link). Dies ermöglicht die vielfältige Verknüpfungen der Zeichnungen und Kommentare mit den dargestellten Objekten, den Inschriften, weiteren Zeichnungen sowie den verschiedenen historischen und aktuellen Sammlungskontexten.

  • Braunschweig, Herzog Anton Ulrich-Museum, 11. – 13. Oktober 2017
    Interdisziplinäres Kolloquium: „Die Antikenalben des Alphonsus Ciacconius in Braunschweig, Rom und Pesaro. Dokumentation und Deutung antiker Skulpturen im 16. Jahrhundert.“

Das Kolloquium, das zusammen mit dem Kunsthistorischen Institut der Universität Bonn und dem Herzog Anton Ulrich-Museum veranstaltet wurde, bot Gelegenheit, Umfang, Komplexität und Themenvielfalt des Corpus Ciacconianum auszuloten und dessen außerordentliches Aussagepotential für die Rezeptionsgeschichte antiker Skulpturen herauszustellen. Die Ergebnisse liegen in gedruckter Form vor (Christiane Vorster – Georg Satzinger – Jochen Luckhardt – Thomas Döring, Die Antikenalben des Alphonsus Ciacconius in Braunschweig, Rom und Pesaro. Dokumentation und Deutung antiker Skulpturen im 16. Jahrhundert, Braunschweig 2018).

  • Rom, Biblioteca Angelica, 9. – 10. November 2023
    Round-Table: „Alphonsus Ciacconius und die Ordnung antiquarischen Wissens im 16. Jahrhundert.“

Durch die Verbindung von Bild und Textkommentar bieten die Antikenalben Chacóns detaillierte Einblicke in das Netzwerk der Antiquare und in die Entwicklung der archäologischen Methode vor der Ausdifferenzierung der Altertumskunde in verschiedene Einzeldisziplinen. Sie nehmen in dieser Hinsicht eine Schlüsselstellung ein. Der interdisziplinäre Workshop mit Teilnehmern aus der Klassischen Archäologie, Neulateinischen Philologie, Kunstgeschichte und Epigraphik soll der Absicherung der bislang gewonnenen Erkenntnisse dienen und dazu beitragen, diese in einen größeren wissenschaftsgeschichtlichen Rahmen stellen.

  • Chr. Vorster, Antikenkopie oder Antikenfälschung?, in: K. Zimmer (Hrsg.), Rezeption, Zeitgeist, Fälschung – Umgang mit Antike(n), Akten des Intern. Kolloquiums 2014 Tübingen (Rahden 2015) 29–49
  • Chr. Vorster – G. Satzinger – J. Luckhardt – Th. Döring (Hrsg.), Die Antikenalben des Alphonsus Ciacconius in Braunschweig, Rom und Pesaro. Dokumentation und Deutung antiker Skulpturen im 16. Jahrhundert (Braunschweig 2018)
  • Chr. Vorster, Aufstellung, Deutung und Ergänzung antiker Skulpturen in Sammlungen des 16. Jahrhunderts, in: Vorster et al. 2018, 144-167
  • Chr. Vorster, Die Zeichnungsalben des Alphonsus Ciacconius und ihr Zeugniswert für die Antikensammlungen des 16. Jahrhunderts, KölnJb 51, 2018, 463–481
  • Chr. Vorster, Und das Wort ward Stein. Sinnstiftung durch Ergänzung, in: D. Boschung – L. Jäger, >Wort< und >Stein<. Differenz und Kohärenz kultureller Ausdrucksformen (Paderborn 2021) 221-256
  • Chr. Vorster, Die Vecchia Capitolina – eine Sibylle aus dem Cortile del Belvedere, in: J. Niebaum (Hrsg.), Festschrift Georg Satzinger (im Druck)

Leitung

  • Hon. Prof. Dr. Christiane Vorster

Mitglieder der Projektgruppe

  • Prof. Dr. Georg Satzinger
  • Prof. Dr. Reinhard Förtsch
  • Dr. Hannelore Rose
  • Dr. Roswitha Simons

Studentische und wissenschaftliche MitarbeiterInnen

  • Lisa Schadow, M.A.
  • Sandra Völkel, M.A.

 

  • Biblioteca Angelica, Rom
  • Biblioteca Oliveriana, Pesaro
  • Herzog Anton Ulrich-Museum, Braunschweig
  • Forschungsarchiv für antike Plastik am archäologischen Institut der Universität Köln
  • Deutsches Archäologisches Institut
  • Fritz-Thyssen-Stiftung
  • Volkswagen-Stiftung
  • Deutsches Archäologische Institut
  • Philosophische Fakultät der Universität Bonn

Kontakt

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Prof. Dr. Christiane Vorster

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