Forschungsschwerpunkte
Unsere Abteilung setzt derzeit folgende Schwerpunkte in Forschung und Lehre:
- Transformationen ländlicher Räume und Europäisierung
- Stadt- & Raumforschung
- Zivilgesellschaftliches Engagement
- Protest sozialer Bewegungen
- Digitale Anthropologie & Digitalisierung im Alltag
- Natur- und Umweltverhältnisse & Montanethnographie
- Erzähl- und Biographieforschung
- Erinnerungskulturen
- Populäre Kulturen & Fankulturforschung
- Visuelle Anthropologie
- Museologie
- Geschlechterforschung
Forschungsprojekte
Projektfilm AMuRaKK
Bild © / YouTube
Akteursnetzwerke und multifunktionale Räume der Kunst-, Kultur- und Kreativarbeit in ländlichen Regionen (AMuRaKK), Teilprojekt: West- und Norddeutschland
Welche Rolle spielen Kunst-, Kultur- und Kreativarbeit in der Vitalisierung ländlicher Räume?
Laufzeit: 03/2023 – 11/2025
Leitung: Prof. Dr. Ove Sutter, Projektmitarbeiterin: Victoria Huszka M.A.
Förderung: Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft im Bundesprogramm Ländliche Entwicklung ("Faktor K – Forschung zum Faktor Kultur in ländlichen Räumen").
Kooperationen: Verbundprojekt in Zusammenarbeit mit dem Institut für ländliche Strukturforschung (IfLS)
Projektwebsite: amurakk.de
Das Forschungsvorhaben untersucht, wie Kunst-, Kultur- und Kreativarbeitende in Akteursnetzwerke eingebunden sind und wie sie zusammen mit lokalen zivilgesellschaftlichen Akteur:innen und kommunalen Verwaltungen in ländlichen Regionen multifunktionale Räume entwickeln, nutzen und gestalten sowie darüber kulturelle Teilhabe ermöglichen.
Unter Kunst-, Kultur und Kreativarbeit fassen wir professionelle und ehrenamtliche künstlerische Tätigkeiten (z.B. von Musiker:innen bis hin zu Chören), ehrenamtliche Kulturorganisation und professionelle Kulturmanagements, Heimat- und Kulturvereine bis hin kreativ arbeitenden Freizeit-Hacker:innen oder professionellen Grafikdesigner:innen. Multifunktionale Räume, wie z.B. Mehrfunktionshäuser oder Gemeinwesenzentren, führen unterschiedliche Akteur:innen sowie kulturelle, soziale und ökonomische Angebote an einem Ort zusammen.
Multifunktionale Orte können strukturellen Defiziten ländlicher Räume hinsichtlich der Bereitstellung kultureller Angebote entgegenwirken und die kulturelle Teilhabe sozial Benachteiligter stärken. Das Projekt verfolgt deshalb das Ziel, Akteursnetzwerke und Schlüsselakteur:innen der Kunst-, Kultur- und Kreativarbeit zu identifizieren und die Relevanz und Funktions- sowie Nutzungsweise multifunktionaler Räume für diese Netzwerke zu ermitteln.
Anhand von vier qualitativen Fallstudien in Regionen weniger guter sozioökonomischer Lage in Sachsen, Hessen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen werden diese Wirkungs- und Funktionsweisen von Akteursnetzwerken und multifunktionalen Räumen im Kontext verschiedener regionalräumlicher und sozialer Einflussfaktoren untersucht. Auf diese Weise sollen Gelingensbedingungen und Handlungshemmnisse von Akteursnetzwerken und multifunktionalen Räumen als Resilienzfaktoren für den ländlichen Raum identifiziert werden.
Die Forschungsergebnisse werden anwendungsbezogen aufbereitet und an die Praxispartner zurückgespielt. Handlungsleitfäden für Schlüsselakteur:innen stellen eine Hilfestellung für lokale Projektpartner:innen und bundesweit an der Etablierung multifunktionaler Räume interessierter Akteur:innen dar. Über Gestaltungsempfehlungen für politisch-administrative Rahmenbedingungen zur Förderung von Kunst-, Kultur- und Kreativarbeit, kulturellem Engagement und kultureller Teilhabe fließen die Forschungsergebnisse auch in die Politikgestaltung ein.
Bonndemic - Urbane Kulturen in und nach der Pandemie
Die Covid-19-Pandemie stellte unsere täglichen Abläufe, Routinen und unsere Beziehungen zu anderen Menschena auf den Kopf. Bonndemic erforschte während der Pandemie, wie diese Transformationen von Bonner*innen erfahren und gestaltet wurden.
Laufzeit: 2020-2021
Leitung: Ruth Dorothea Eggel, Dr. Valeska Flor, Victoria Huszka
Förderung: Research & Outreachprojekt im Rahmen des Argelander Grants
Kooperationen: Stadtmuseum Bonn & LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte
Transformationen alltagsweltlicher Räume und Praktiken am Beispiel Bonn
Momente gesellschaftlicher Krise können als „Verdichtung kultureller Dynamik“ verstanden werden, in denen sich alltagsweltliche Routinen verändern und die neue Sichtweisen, Deutungen und Handlungen hervorbringen (Beck/Knecht 2012). In der Stadt als sozial, wirtschaftlich und kulturell verdichtetem Lebensraum und damit auch als Konfliktraum werden die alltagsweltlichen Folgen der politischen Maßnahmen zur Eingrenzung des öffentlichen Lebens besonders drastisch sichtbar. Dies auch, weil das Versprechen der Stadt auf Stabilität und die Hoffnung auf ein gutes Leben (Färber 2019) in der Krise auf die Probe gestellt wird. Gleichzeitig zeichnen sich urbane Kulturen durch eine besondere Resilienz aus und gerade in der Stadt als „zivilgesellschaftlichem Labor“ (Kaschuba 2015) entstehen besonders schnell innovative und experimentelle Praktiken des Umgangs mit Ausnahmesituationen. Durch diese Alltagspraktiken werden Grenzen zwischen öffentlichen, privaten und digitalen Räumen neu verhandelt und hoffnungsvolle Zukunftsnarrative und -imaginationen hervorgebracht.
Das Forschungs- und Outreach-Projekt erforscht in drei ethnografischen Feldforschungsprojekten auf Grundlage teilnehmender Beobachtungen, qualitativer Interviews und Online-Ethnografien am Beispiel Bonns, wie sich politische Regulierungen des öffentlichen Lebens auf alltagsweltliche Räume und Praktiken in der Stadt auswirken und wie sich urbane Identitätsentwürfe, Lebensweisen und Formen der Vergemeinschaftung in und nach der Pandemie verändern. In drei Teilprojekten untersucht das Projekt, wie sich urbane Räume der Nachbarschaft, der Jugendkultur und des Protests im Zuge der Pandemie transformieren und welche Praktiken nach der Krise Teil urbaner Alltagskultur werden.
Das Forschungsprojekt beabsichtigt, die Ergebnisse in Kooperation mit dem Kulturamt und Stadtmuseum der Stadt Bonn sowie dem LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte in science-to-public-Veranstaltungen als Beitrag zur zukünftigen Ausstellung des Stadtmuseums sowie auf den digitalen Plattformen des LVR zu präsentieren und zur Diskussion zu stellen. Es wird damit einen Beitrag dazu leisten, dass die alltagsweltlichen Folgen und Umgangsweisen mit der Corona-Pandemie wissenschaftlich erfasst und ins kulturelle Gedächtnis der Stadt Bonn transferiert werden.
Teilprojekt I: Nähe auf Abstand
Urbaner Alltag zwischen geregelter Distanz und sozialen Begegnungen
Projektleitung: Ruth Eggel M.A., M.A.
Projektbearbeitung: Michaela Ressing B.A.
Im Rahmen der Forschung werden der Aspekt des Social Distancin gs und damit einhergehende individuelle Aushandlungsprozesse bei sozialen Begegnungen betrachtet. Das Forschungsfeld ist der Stadtraum, mit öffentlichen und privaten Räumen, als Bestandteil der Alltagswelt der Bonner*innen.
Im urbanen Raum finden alltägliche Situationen der sozialen Begegnung statt, denn der Stadtraum ist durch die physische Nähe von Menschen geprägt und kann deshalb auch als Begegnungsraum bezeichnet werden. Aufgrund der Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens wie z.B. Abstandsregelungen oder Maskenpflicht wird ein physischer Abstand gefordert, der Anonymität im Stadtraum unterstützen kann.
Das Forschungsprojekt fragt daher: Wie wird das Wechselspiel von „Nähe auf Abstand“ im Stadtraum sichtbar? Welche Auswirkungen hat dies auf die Bonner*innen, auf den erlebten Raum, die Raumwahrnehmung, Praktiken und auf alltägliche Begegnungen sowie soziale Interaktionen? Gibt es im urbanen Raum in Zeiten der Krise ein Bedürfnis soziale Nähe herzustellen und wenn ja, welche alternativen Möglichkeiten und Wege der Vergemeinschaftung bzw. Erzeugung eines Gemeinschaftsgefühls (auf Abstand) werden gefunden und welche Räume werden dabei angeeignet?
Vor allem in Zeiten einer Krise sowie durch Kontaktbeschränkungen und Isolation kann ein größeres Bedürfnis nach sozialer Nähe entstehen. Durch die Corona-Pandemie kann soziale Nähe zu einem Infektionsrisiko werden, deshalb entstehen Konfliktsituationen, z.B. bei Angehörigen einer Risikogruppe. Im Endeffekt muss nun jede*r für sich selbst auch im privaten Raum aushandeln, auf welchem Weg das Bedürfnis nach (sozialer) Nähe erfüllt und gleichzeitig der notwendige Abstand, um sich selbst und andere vor einer Infektion zu schützen, eingehalten werden kann.
Daher wird außerdem gefragt: Wie wird der Konflikt von „Nähe auf Abstand“, insbesondere bei Angehörigen einer Risikogruppe, ausgehandelt und welche alternativen Möglichkeiten oder Räume werden gefunden bzw. angeeignet? In urbanen Nachbarschaftsräumen stellt sich zusätzlich die Frage, ob sich Praktiken der sozialen Nähe (auf Abstand) in Form von Interaktionen der Fürsorge und Unterstützung, bspw. für Angehörige einer Risikogruppe, beobachten lassen.
Teilprojekt II: Nachtleben in der Krise
Urbane Praktiken, Räume und Zeiten des Feierns in der Pandemie
Projektleitung: Victoria Huszka M.A.
Projektbearbeitung: Jana Brass B.A.
Auch in der Stadt als urbanem Vergnügungs-Zentrum, die das Forschungsfeld dieses Teilprojekts darstellt, verändern sich alltägliche Räume, Praktiken und auch Zeiten des Feierns. Das Versprechen von Urbanität umfasst nicht zuletzt auch individuelle Freiheiten des Genusses und Vergnügens. Im Alltag vieler Menschen spielen in diesem Zusammenhang öffentliche Räume eine zentrale Rolle als Möglichkeitsräume, Aufenthalts- und auch Rückzugsorte. Maßnahmen des Infektionsschutzes treffen diese am härtesten, indem sie Körper, Praktiken, Räume und Zeiten reglementieren und kontrollieren. Insbesondere die Innenstadt wird so zum Un-Möglichkeitsraum, Rückzugsorte verschwinden, Aufenthalts- werden zu bloßen Durchgangsorten. Das ritualisierte aus-dem-Alltag-Ausbrechen, das Feiern für viele Menschen bedeutet, verändert sich so auch in der Stadt Bonn. Räume, Praktiken und Zeiten des Feierns sind für viele Bonner*innen zu Gegenständen alltäglicher Aushandlungen geworden und nicht selten führt die Kollision von Bedürfnissen und Maßnahmen in diesem Zusammenhang zu Konflikten im verdichteten städtischen Raum.
Diese Transformationen urbaner Alltagskultur ereignen sich vor dem Hintergrund und im Zusammenhang mit vielschichtigen gesellschaftlichen Diskursen, die das Feiern in der Krise betreffen: “Corona-Parties” etwa waren im ersten Lockdown nicht selten Bestandteil reißerischer Schlagzeilen. Im Spätsommer und Herbst 2020 wurde vielfach über private Feiern als Treiber der “zweiten Welle” diskutiert – wogegen sich wiederum Stimmen erhoben, die die Vernachlässigung der Bedürfnisse insbesondere junger Menschen in der Pandemiebekämpfung anmahnten.
Die Fragen des Bonndemic-Projekts nach Transformationen urbaner Kulturen in Bonn in der Corona-Pandemie wurden in diesem Teilprojekt auf das Feiern als Teil städtischer Alltagskultur angewandt. Die übergeordnete Forschungsfrage lautet dabei: Wie werden in der Corona-Pandemie alltagsweltliche urbane Räume und Zeiten des Feierns in Bonn durch welche Praktiken (neu) konstituiert? Teilfragen der Forschung beziehen sich auf die Rolle von ästhetischem Erleben/ästhetischen Praktiken, sinnlich-körperlicher Wahrnehmung, Atmosphären, Emotionen, Ritualisierten Performanzen; auf das Verhandeln von Gemeinschaft; auf das Verhältnis von Feiern und Spiel; auf Raumbegriffe und -logiken unterschiedlicher Akteur*innen und dadurch entstehende Konflikte; auf die Rolle des räumlichen settings Stadt und das Konzept Urbanität in der Pandemie; auf Legitimationen und Abgrenzungen bestimmter Akteur*innen; auf Inszenierungen von Erleben, Atmosphären, Emotionen etc. und deren (insbesondere digitale) Repräsentation. Bezogen auf viele dieser Aspekte wird außerdem gefragt: Welchen Dynamiken unterlagen sie vor der Pandemie und wie ändern sich diese Dynamiken im Zusammenhang mit der Krise?
Teilprojekt III: Protestieren in der Pandemie
Zwischen Straße und sozialen Medien
Projektleitung: Valeska Flor PhD
Projektbearbeitung: Jasmin Sina B.A.
Durch die erlassenen Coronaschutzverordnungen kommt es je nach Infektionsgeschehen immer wieder zu Veränderungen unseres Alltags. Mit Verhaltenspflichten im öffentlichen Raum und städtischen Versammlungsverboten sind hier verstärkt Demonstrant*innen betroffen, die öffentliche Räume in Städten nutzen, um als kollektive Akteur*innen geteilte Werte, Ziele und Weltansichten zu präsentieren. Auch wird der Stadtraum in der Regel zur kulturellen und politischen Einflussnahme in der Gesellschaft genutzt. Die verordneten Einschränkungen fechten allgemeingültige Vorstellungen von Formen der öffentlichen Meinungsäußerung an. So werden Protestpraktiken, die als fester Bestandteil der gesellschaftlichen Aushandlung von Fragen des Gemeinwohls gelten, mit diesen neuen Herausforderungen konfrontiert. Wie gehen Demonstrant*innen also mit Veranstaltungsverboten, Abstandsgeboten und Hygienekonzepten um? Wie sieht Engagement und Protest unter den besonderen Bedingungen der Pandemie aus? Und vor allem, wo finden diese Aushandlungsprozesse statt?
Anhand der Klimabewegung in Bonn sollen die Dynamiken aus kulturanthropologischer Perspektive untersucht werden. Relevant sind dabei die Möglichkeitsräume, die Demonstrant*innen nutzen, sich aneignen oder (er)finden, um zu partizipieren. Denn die Straße als kultureller Aktionsraum wird nun verändert wahrgenommen und Demonstrant*innen setzen verstärkt auf soziale Medien und digitale Plattformen als Handlungsräume. Ins Zentrum dieser Forschung werden Visualisierungen gerückt, die als eine signifikante Ressource im Protest gelten und on- und offline sowohl instrumentelle als auch expressive Funktionen einnehmen. Insbesondere sind die Prozesse der Erstellung, Nutzung und Verbreitung solcher Visualisierungen von Bedeutung, die durch qualitative Interviews, teilnehmende Beobachtungen und Social Media Ethnografien/Netnografien erhoben werden.
Artikel/Berichte
Jana Brass, Ruth Eggel, Valeska Flor, Victoria Huszka, Michaela Ressing, Jasmin Sina (2022): Pandemiebewältigung zwischen kreativ-schöpferischen Praktiken und erschöpften Möglichkeiten. In: Kuckuck. Notizen zur Alltagskultur 1/22, S. 6-11.
Jana Brass, Ruth Eggel, Valeska Flor, Victoria Huszka, Michaela Ressing, Jasmin Sina: (2021): Forschungsprojekt "Bonndemic" - Urbane Kulturen in der Pandemie. In: Rheinisch-westfälische Zeitschrift für Volkskunde 1 (66), S. 430-441.
Broschüre:
Jana Brass, Ruth Eggel, Valeska Flor, Victoria Huska, Michaela Ressing, Jasmin Sina (Hg.): Bonndemic. Urbane Kulturen in und nach der Pandemie, Universität Bonn. PDF
Blogbeiträge
Jana Brass „Feiern in der Pandemie“, online: https://rheinische-landeskunde.lvr.de/de/institut/institut_corona/feiern_in_der_pandemie/feier_in_der_pandemie_beitrag.html
Michaela Ressing „St. Martin light“, online: https://rheinische-landeskunde.lvr.de/de/institut/institut_corona/st_martin_light/detailseite_14.html
Jasmin Sina „Das digitale Defizit“, online: https://rheinische-landeskunde.lvr.de/de/institut/institut_corona/klimaproteste_beitrag/detailseite_14.html
Jasmin Sina „Ehrensache Klima: Wir protestieren (auch) in der Pandemie“, online: https://alltagswelten-blog.de/2021/05/18/ehrensache-klima-wir-protestieren-auch-in-der-pandemie/
Ausstellung:
Posterausstellung & Kurzvorträge im Stadtraum ab 25.9.2021
Abschlusspräsentation:
Jana Brass, Ruth Eggel, Valeska Flor, Victoria Huszka, Michaela Ressing, Jasmin Sina (2021): Stadtgesellschaft in und nach der Pandemie. (Öffentliche Ergebnispräsentation Haus der Bildung, Bonn)
Vorträge:
Ruth Eggel, Valeska Flor und Victoria Huszka: (Gem)Einsam durch die Pandemie? Transformationen urbanen Lebens in Bonn. Vortragsreihe „Herausgefordertes Leben: Seuchen bei Menschen, Tieren, Pflanzen“, Europäische Ethnologie Würzburg (02.06.2022).
Ruth Eggel, Valeska Flor und Victoria Huszka: Pandemische Stadt. Zeit-räumliche Transformationen von urbanen Kulturen in und nach der Covid-19-Krise. Panel Vorläufig!? Pandemische Momentaufnahmen einer zukünftigen Gegenwart. Zeit. Zur Temporalität von Kultur. 43. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Empirische Kulturwissenschaft (DGEKW) (05.04.2022)
Jana Brass, Ruth Eggel, Valeska Flor, Victoria Huszka, Michaela Ressing, Jasmin Sina (2020): Urbane Kulturen in und nach der Pandemie. Die Veränderungen des Alltags am Beispiel der Stadt Bonn. (Dies Academicus, Universität Bonn)
Jana Brass, Ruth Eggel, Valeska Flor, Victoria Huszka, Michaela Ressing, Jasmin Sina (2020): „Bonndemic“ – Urbane Kulturen in der Pandemie. (Vortrag im Rahmen der Vorlesung: Post- | Endo- | Peri-Pandemische Räume, 27.10.2020, Universität Zürich).
Laufzeit: 2017 - 2021
Leitung: Prof. Dr. Ove Sutter
Förderung: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) / German Research Foundation
Das Forschungsprojekt untersucht, wie das EU-Förderprogramm LEADER für den ländlichen Raum durch lokale Akteure umgesetzt wird, wie sich BewohnerInnen an der Umsetzung partizipativ beteiligen und wie sich die Maßnahmen auf die alltägliche Lebenswelt der lokalen Bevölkerung auswirken. Die Studie geht erstens davon aus, dass sich die konkreten Auswirkungen und Funktionsweisen von LEADER nur nachvollziehen lassen, wenn neben der Analyse von institutionellen Rahmenbedingungen und Policy-Diskursen auch die konkreten Beteiligungen, Umsetzungen und Auswirkungen im Alltag der lokalen Bevölkerung untersucht werden. Zweitens ist davon auszugehen, dass die lokalen Beteiligungen und Umsetzungen von LEADER grundlegend von alltagskulturellen Aneignungen und Übersetzungen des Förderprogramms geprägt sind, die sich teils widersprüchlich zu dessen Zielen verhalten. Den dritten Ausgangspunkt bildet die Annahme, dass Entwicklungsprogramme wie LEADER sich zweifach auf alltägliches Handeln auswirken: 1) auf politisches Alltagshandeln im Sinne einer zunehmenden partizipativen Ermächtigung des Individuums gegenüber dem Staat und supranationalen Institutionen sowie 2) auf die alltägliche Lebensführung im Sinne einer zunehmenden Ausrichtung an unternehmerischen und kompetitiven Logiken. Das ethnographisch und diskursanalytisch vorgehende Forschungsvorhaben soll zeigen, wie sich BewohnerInnen an der lokalen Umsetzung von LEADER-Projekten beteiligen, wie sie die Maßnahmen in ihre alltägliche Lebenswelt übersetzen und welche Auswirkungen diese Übersetzungen haben.
Die übergeordneten Leitfragen des Forschungsvorhabens sind, 1) wie sich BewohnerInnen ländlicher Gebiete an der lokalen Umsetzung von politisch-ökonomischen Entwicklungsmaßnahmen beteiligen, 2) wie sie die Maßnahmen in ihre alltägliche Lebenswelt übersetzen und 3) welche Auswirkungen diese Übersetzungen auf Formen alltäglicher Lebensführung, Sichtweisen und Deutungen sowie kulturelle Objektivationen haben.
Im Mittelpunkt des Forschungsprojekts steht die vergleichende ethnographische und diskursanalytische Untersuchung von drei benachbarten LEADER-Regionen in Nordrhein-Westfalen. Die übergeordneten Leitfragen des Forschungsvorhabens werden in diesen Regionen übergreifend in zwei Fallstudien untersucht.
Die erste Fallstudie erforscht die Planung und Umsetzung von Projekten zur Verbesserung der ökologischen Nachhaltigkeit. Hierzu gehören Projekte zur nachhaltigen Mobilität, zum alltäglichen Energieverbrauch, zur Bewusstseinsbildung im Bereich des Artenschutzes, zur Sicherung der Nahversorgung oder auch zur ökologischen Revitalisierung von Bergbau- und anderen Nutzflächen. Die zweite Fallstudie untersucht Entwicklungsprojekte, die den demographischen Wandel in den drei untersuchten Regionen bearbeiten. Dies umfasst z.B. Infrastrukturprojekte zur Verbesserung der Mobilität von SeniorInnen, Projekte zur Entwicklung generationenübergreifender Treffpunkte, zur Verbesserung der medizinischen Versorgung, zur Steigerung der Attraktivität der Regionen für junge Familien bis hin zur Integration von MigrantInnen.
Ziel ist es, in der Analyse von Policy eine Perspektive zu stärken, aus der heraus die lokalen und alltagskulturellen Umsetzungen und Aushandlungen von gouvernementalen Entwicklungsprogrammen wie LEADER mit in den Blick genommen werden. Außerdem soll die Studie einen empirisch fundierten Beitrag zur gesellschaftlichen Debatte über den gegenwärtigen Wandel alltäglicher Lebenswelten des ländlichen Raumes und über die demokratiepolitischen Auswirkungen aktueller partizipativer Governance-Formen leisten.
Veranstaltungen
Abschlusskonferenz des DFG-Projekts: „Das partizipative Dorf. Ländliche Alltagskulturen in Zeiten des Neuen Ländlichen Paradigmas”, 08.-10. Oktober 2020, Bonn (virtuelle Konferenz).
Panel im Rahmen der SIEF Konferenz „Track Changes: Reflecting on a Transforming World”: “Entangled Countryside – tracking political negotiations of the rural”, 14.-17. April 2019, Santiago de Compostela.
Mid-term Workshop des DFG-Projekts: „Ländliche Alltagskulturen regieren. Perspektiven der Kulturanalyse politischer Prozesse in ländlichen Regionen”, 21./22. Juni 2018, Bonn.
Wohlgemuth, Sina (2021): Demographic change – Future practices in rural regions. In: Cultural Analysis. (angenommen für peer-review)
Wohlgemuth, Sina / Müller, Oliver (2021): ‚Partizipation’ als rituelle Performance – kulturanthropologische Perspektiven auf einen allumfänglichen Begriff. In: Sommer, Jörg (Hg.): Kursbuch Bürgerbeteiligung. Berlin: Berlin Institut für Partizipation. (im Erscheinen)
Oliver Müller (2021): Making Landscapes of (Be)longing. Territorialization in the Context of the EU Development Program LEADER in North Rhine-Westphalia. In: European Countryside. (angenommen peer-reviewed)
Oliver Müller (2021): Der Driesch – Die (Re)Konstruktion einer historischen Kulturlandschaft. Territoralisierungspraktiken im Kontext des LEADER-Programms. In: Michaela Fenske / Arnika Peselmann / Daniel Best (Hg.): Ländliches vielfach! Leben und Wirtschaften in erweiterten sozialen Entitäten. Blaufelden: Königshausen & Neumann, S. 195-216.
Oliver Müller (2020): Die Herstellung ruraler Naturen als Materialisierung des Dörflichen. In: Manuel Trummer / Anja Decker (Hg.): Das Ländliche als kulturelle Kategorie. Aktuelle kulturwissenschaftliche Perspektiven auf Stadt-Land-Beziehungen. Bielefeld: Transcript, S. 45-60. DOI: 10.14361/9783839449905-003.
Sina Wohlgemuth (2020): Zukunftsagency – wie Bewohner*innen ländlicher Regionen im Rahmen des LEADER-Programms der EU den Zugang zur Zukunftsgestaltung aushandeln. In: Hänel et al (Hrsg.): Planen – Hoffen – Fürchten. Zur Gegenwart der Zukunft im Alltag. Münster: Waxmann, S. 79-94.
Oliver Müller / Ove Sutter / Sina Wohlgemuth (2020): Learning to LEADER. Ritualised Performances of 'Participation' in Local Arenas of Participatory Rural Governance. In: Sociologia Ruralis 60 (1), S. 222-242. DOI: 10.1111/soru.12287. (peer reviewed)
Oliver Müller / Ove Sutter / Sina Wohlgemuth (2019): Translating the Bottom-up Frame. Everyday Negotiations of the European Union’s Rural Development Programme LEADER. In: Anthropological Journal of European Cultures 28 (2), S. 45-65. DOI: 10.3167/ajec.2019.280204. (peer reviewed)
Ove Sutter (2018): Symbolische Produktionen regionaler Identität in Lokalen Entwicklungsstrategien ländlicher Räume. In: Katrin Bauer / Andrea Graf (Hg.): Erfinden | Empfinden | Auffinden. Das Rheinland oder die (Re-)Konstruktionen des Regionalen in globalisierten Alltagen. Münster: Waxmann, S. 111-126.
Stefan Groth / Ove Sutter (2016): Kulturelle Repräsentationen von „Region“ in der politisch-ökonomischen Entwicklung ländlicher Räume. In: Rheinisch-westfälische Zeitschrift für Volkskunde (61), S. 225-245.
Vorträge
„Participative development of rural regions – Lessons from three LEADER regions in North Rhine-Westphalia.” Vortrag im Rahmen der Abschlusskonferenz „The Participative Village. Governing Rural Everyday Worlds in Times of the New Rural Paradigm” des DFG-Projekts „Partizipative Entwicklung ländlicher Regionen.” 08.-10. Oktober 2020, Universität Bonn (virtuelle Konferenz).
„From matters of fact to matters of concern: Conserving Biodiversity in landscapes of (be-)longing.“ Vortrag im Rahmen der EASA-Konferenz „New anthropological horizons in and beyond Europe.“ 20.-24. Juli 2020, Lissabon (virtuelle Konferenz).
„Demographic change – Imagining and creating future scenarios of community support.” Vortrag im Rahmen der EASA-Konferenz „New anthropological horizons in and beyond Europe.“ 20.-24. Juli 2020, Lissabon (virtuelle Konferenz).
„Flourishing Landscapes: Performing rural sensescapes in the context of the EU's development program LEADER.” Vortrag im Rahmen der 7. SIAA-Konferenz „La città. Antropologia applicata ai territori.“ 12.-14. Dezember 2019, Ferrara.
„Blühende Landschaften. Die Herstellung ruraler Naturen im Kontext des EU-Entwicklungsprogramms für den ländlichen Raum LEADER." Vortrag im Rahmen des dgv-Kongresses "Welt.Wissen.Gestalten", 7.-10. Oktober, Universität Hamburg.
„Participative development of rural regions. Everyday cultural negotiations of the European Union's LEADER program.” Vortrag im Rahmen der SIEF Konferenz „Track Changes: Reflecting on a Transforming World.“ 14.-17. April 2019, Santiago de Compostela.
„Entangled Countryside - Tracking political negotiations and transformations of the rural" Vortrag im Rahmen der SIEF Konferenz. 14.-17. April 2019, Santiago de Compostela.
„Der Driesch - die Lebensgrundlage einer ländlichen Gemeinde?“ Vortrag im Rahmen der Tagung „Ländliches vielfach! Leben und Wirtschaften in erweitern sozialen Entitäten“ an der Abteilung für Europäische Ethnologie. 04.-06. April 2019, Universität Würzburg.
„Zukunftsagency – wie Bewohner*innen ländlicher Regionen im Rahmen des LEADER-Programms der EU den Zugang zur Zukunftsgestaltung aushandeln.“ Vortrag im Rahmen der dgv-Hochschultagung „Planen. Hoffen. Fürchten. Zur Gegenwart der Zukunft im Alltag“ an der Abteilung Kulturanthropologie/Volkskunde. 20.-22. September 2018, Universität Bonn.
„Die Herstellung ruraler Naturen als Materialisierung des Ländlichen?“ Vortrag im Rahmen Tagung „Stadt, Land - Schluss?“ der dgv-Kommission „Kulturanalyse des Ländlichen“ an der Abteilung Vergleichende Kulturwissenschaft. 13.-15. September 2018, Universität Regensburg.
„Zwischen Bank und Projektskizze. Wie BewohnerInnen die Regierungstechnologie 'Partizipation' in einem Dorf performen.“ Vortrag im Rahmen Tagung „Stadt, Land - Schluss?“ der dgv-Kommission „Kulturanalyse des Ländlichen“ an der Abteilung Vergleichende Kulturwissenschaft. 13.-15. September 2018, Universität Regensburg.
„Partizipative Entwicklung ländlicher Regionen. Zwischenergebnisse eines Forschungsprojekts.“ Vortrag im Rahmen Tagung „Stadt, Land - Schluss?“ der dgv-Kommission „Kulturanalyse des Ländlichen“ an der Abteilung Vergleichende Kulturwissenschaft. 13.-15. September 2018, Universität Regensburg.
„'Einfach mal wachsen lassen'. Die Herstellung ruraler Naturen als umstrittenes Feld der Be-Deutung von Natur.“ Vortrag im Rahmen des Mid-term Workshops „Ländliche Alltagskulturen regieren. Perspektiven der Kulturanalyse politischer Prozesse in ländlichen Regionen“ an der Abteilung Kulturanthropologie/Volkskunde. 21.-22 Juni 2018, Universität Bonn.
„'Wir müssen jetzt handeln!' Zukunftspraktiken im Rahmen des LEADER-Programms der EU.“ Vortrag im Rahmen des Mid-term Workshops „Ländliche Alltagskulturen regieren. Perspektiven der Kulturanalyse politischer Prozesse in ländlichen Regionen“ an der Abteilung Kulturanthropologie/Volkskunde. 21.-22 Juni 2018, Universität Bonn.
„Partizipative Entwicklung ländlicher Regionen.“ Vortrag im Rahmen des Mid-term Workshops „Ländliche Alltagskulturen regieren. Perspektiven der Kulturanalyse politischer Prozesse in ländlichen Regionen“ an der Abteilung Kulturanthropologie/Volkskunde. 21.-22 Juni 2018, Universität Bonn.
„Partizipative Regionalentwicklung – auf Feldforschung.“ Projektpräsentation im Rahmen der Bonner Wissenschaftsnacht. 17.-18. Mai 2018, Universität Bonn.
„Zurück aufs Land. Partizipative Entwicklung ländlicher Regionen.“ Vortrag im Rahmen des Workshops „Land / Stadt als räumliche Ordnungen und Kategorien“ des Instituts für Sozialanthropologie und empirische Kulturwissenschaft. 17.-18. Mai 2018, Universität Zürich.
„Partizipative Entwicklung ländlicher Regionen. Ethnografische Zugänge zum LEADER-Programm der Europäischen Union.“ Vortrag im Rahmen des Workshops „Kulturwissenschaftliche Stadt-Land-Forschungen in der Diskussion“ des Netzwerks Kulturwissenschaftliche Stadtforschung. 22.–23. Februar 2018, Universität Wien.
„Following the bottom-up. Unboxing the regional development program LEADER.” Vortrag im Rahmen der Tagung „Konstruieren – Analysieren – Gestalten. Ländliche Räume zwischen Theorie, Empirie und Praxis” am Geographischen Institut. 22. Januar 2018, Universität Kiel.
Postersessions
“Participative development of rural regions. Everyday cultural negotiations of the EU LEADER programme.” Poster präsentiert bei der European Rural Geography Conference, “New rural geographies in Europe: actors, processes, policies”, 14.-17. Juni 2017, Johann Heinrich von Thünen Institut, Braunschweig. Poster
Erwähnungen in der Presse
Forsch 3/2018: Hilfe zur Selbsthilfe im ländlichen Raum (Johannes Seiler), S. 20-21. Artikel
Die Relevanz des des ethnographisch und diskursanalytisch vorgehenden Forschungsprojekts ergibt sich aus der zentralen Rolle und dem großen Ausmaß zivilgesellschaftlichen Engagements in den Migrationsbewegungen insbesondere seit dem Sommer 2015, in deren Verlauf nicht nur mehr als eine Million Menschen nach Europa und auch Deutschland flüchteten, sondern sich auch an deren Versorgung eine Vielzahl ehrenamtlicher und freiwilliger HelferInnen beteiligte.
Der lokale Fokus der Studie liegt auf einer mittelgroßen deutschen Grenzstadt mit 50.000 bis 100.000 EinwohnerInnen. Den Ausgangspunkt der Forschung bildet eine Hilfsaktion der lokalen Bevölkerung für durchreisende Flüchtende, die sich im September 2015 am städtischen Bahnhof ereignete. Aus der Hilfsaktion entstand in den folgenden Monaten eine umfassende selbst organisierte Infrastruktur am Bahnhof und im Stadtgebiet, die von September bis Dezember 2015 zwischen 50.000 und 80.000 durchreisende Flüchtende versorgte. Im Zusammenhang dieser Ereignisse hat sich in der Stadt ein bis heute existentes zivilgesellschaftliches Netzwerk aus sozialen und politischen Initiativen, Einzelpersonen, ParteipolitikerInnen und UnternehmerInnen gebildet. Die Akteure dieses Netzwerks sind nicht nur in die Betreuung und Versorgung von Geflüchteten eingebunden, sondern beteiligen sich auch an politischen Auseinandersetzungen zu Themen wie Migrationspolitik oder auch Rechtsextremismus.
Das Forschungsprojekt geht von der Hypothese aus, dass sich im freiwilligen Engagement der Hilfe für Flüchtende eine veränderte Form zivilgesellschaftlicher Praxis abzeichnet, die sich zwischen humanitärer Hilfe und teils mit Formen des politischen Aktivismus sozialer Bewegungen verbundenem politischen Engagement bewegt. Dieses Engagement bildet sich in einem konfliktiven Prozess zwischen staatlicher Verwaltung und Regulierung auf der einen und zivilgesellschaftlicher Partizipation und Selbstorganisation auf der anderen Seite heraus.
Die Studie untersucht auf Basis von teilnehmenden Beobachtungen, qualitativen Interviews und der Diskursanalyse staatlich-administrativer Dokumente sowie sozialer Medien und Print-Medien die Praktiken, Subjektivitäten und kulturellen Repräsentationen des zivilgesellschaftlichen Engagements der Fluchthilfe.
Ziel des Forschungsprojekts ist es, unter besonderer Berücksichtigung soziokultureller Dimensionen einen Beitrag zum Verständnis zeitgenössicher Formen und Funktionsweisen zivilgesellschaftlichen politischen Engagements zu leisten.
Ove Sutter (2020): Between prefigurative politics and collaborative governance. Vernacular humanitarianism in the migration movements of 2015. In: Ethnologia Europaea. Journal of European Ethnology Vol. 50, Issue 2 (peer reviewed). Link
Ove Sutter (2019): Präfigurative Politiken und kulturelle Figurierungen des Helfens. Konstellationen zivilgesellschaftlicher Willkommenskultur in den Migrationsbewegungen von 2015. In: Reinhard Johler/Jan Lange (Hg.): Fluchtreflexionen. Perspektiven der Migrationsforschung auf gesellschaftliche Aushandlungen, S. 299–318.
Ove Sutter (2019): Gebastelte Versorgung – Improvisation und Bricolage als Handlungsmodus zivilgesellschaftlicher Flüchtlingshilfe. In: Karl Braun/Claus-Marco Dieterich/ Christian Schönholz (Hg.): Wirtschaften. Kulturwissenschaftliche Perspektiven. Marburg 2019, S. 369–277.
Ove Sutter (2019): Narratives of "Welcome Culture". The Cultural Politics of Voluntary Aid for Refugees. In: Narrative Culture: Vol. 6, Iss. 1 , Article 3. (peer reviewed).
Ove Sutter (2018): Lokale Formierungen des Alltagsverstands in der „Willkommenskultur“. In: Johanna Rolshoven/ Ingo Schneider (Hg.): Dimensionen des Politischen. Ansprüche und herausforderungen der Empirischen Kulturwissenschaft. Berlin 2018 , S. 165–180.
Ove Sutter (2018): “Welcome!” – Emotional Politics and Voluntary Work with Refugees. In: Journal for European Ethnology and Cultural Analysis (JEECA) 2 (2017) 1, pp. 5–25 (= English Version of Sutter (2017): "Welcome!" Emotionale Politiken) (peer reviewed).
Ove Sutter (2017): „Welcome!“ Emotionale Politiken des zivilgesellschaftlichen Engagements für Flüchtende. In: Zeitschrift für Volkskunde 113 (2017) 1, S. 3–23 (peer reviewed).
Ove Sutter/ Eva Youkhana (Hg.) (2017): Perspectives on the European Border Regime: Mobilization, Contestation, and the Role of Civil Society (= Social Inclusion, Volume 5, Issue 3) (Peer reviewed).
Post-Doc Projekte
Laufzeit: seit 2018
Leitung: Dr. Valeska Flor
Deutsche Zusammenfassung:
Die Veränderungen des Klimas - der sogenannte Klimawandel - hat nachhaltigen Einfluss auf alle sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Bereiche unserer Gesellschaft. Die Gesellschaft lebt allerdings in einer scharfen und wachsenden Trennung zwischen Klimawissenschaft/Klimatologie und Alltag. Vor allem die Frage nach den Ursachen, dem Verlauf und den alltäglichen Handlungsoptionen stehen in Konflikt zueinander. Die globale Natur, die historische Logik und die weit in die Zukunft projizierte Entwicklung des Klimas sind sozio-kulturelle Aspekte, die durch abstrakte wissenschaftliche Erkenntnisse vermittelt werden, aber oftmals weit vom alltäglichen Erfahrung- und Wissensbereich entfernt sind. In großen Teilen der Wissenschaften, den Medien und der Politik wird dennoch die Tatsache vertreten, dass menschliche Aktivitäten hauptsächlich für die Veränderungen des Klimas sind. Es darüber hinaus extrem wahrscheinlich ist, dass der menschliche Einfluss die dominante Ursache der beobachtbaren Erwärmung ist. Große Teile der Gesellschaft teilen diese Ansicht und gehen davon aus, dass trotz zukünftiger Unsicherheiten im Hinblick auf genaue Veränderungen des Klimas Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels ergriffen werden müssen. Engagierter Klimaschutz wird daher als notwendig betrachtet, um dieses Vorhaben umzusetzen. Neben staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen unterstützen Initiativen, Vereine und Organisationen, wie zum Beispiel Fridays for Future oder Climate Leadership Programme die Aktivierung von Klimaakteur*innen, indem sie lokale Akuter*innen auffordern, Klimaschutz-Projekte zu teilen oder zu initiieren.
Das Forschungsprojekt untersucht aus kulturanthropologischer Perspektive, wie staatliche und nicht-staatliche Organisationen sowie Initiativen, Vereine und Programme gemeinsam mit den Expert*innen Klimawissen produzieren, diese Wissen transferieren und wie lokale Akteur*innen ihre alltäglichen Lebenswelten entlang dieses Wissens gestalten.
English summary:
Climate change has a lasting impact on all social, cultural, economic and political areas of our society. However, society lives in a sharp and growing separation between climate science/climatology and everyday life. Above all, the question of the causes, the course and the everyday options for action are in conflict with each other. The global nature, the historical logic and the projected climate development - far into the future - are socio-cultural aspects which are on the one hand conveyed by abstract scientific findings. But on the other hand they are often far removed from everyday experience and knowledge. However, large parts of the sciences, the media and politics nevertheless advocate the fact that human activities for climate change. Moreover, it is extremely likely that mankind is the dominant cause of global warming. Large sections of society share this view and believe that measures must be taken to mitigate climate change despite future uncertainties about precise climate changes. Committed climate protection is therefore considered necessary to implement this plan. In addition to governmental and non-governmental organizations, initiatives, associations and other organizations, such as Fridays for Future or Climate Leadership Programmes, support the „activation“ of climate actors by encouraging locals to share or initiate climate protection projects.
The research project examines from a cultural anthropological perspective how governmental and non-governmental organizations as well as initiatives, associations and programs produce climate knowledge together with the experts, transfer this knowledge and how local actors shape their everyday lives along the lines of this knowledge.
Promotionsprojekte
Bei hybriden Gaming Events treffen sich hundertausende Menschen um digitales Spielen in verkörperten Formen zu feiern. Wie wird die online & offline Binarität aufgelöst und Welten "In-Between" (f)aktualisiert?
Gaming Events wie die Gamescom oder die Dreamhack zählen jährlich hunderttausende Besucher_innen (und mehrere Millionen Menschen die das Geschehen über Live-Streams verfolgen) und haben sich von Nischen- zu Massenevents entwickelt. Gamification, Eventisierung und Kommodifizierung treffen in zeitspezifischer Weise aufeinander. Mit einem kulturanalytischen ethnographischen Zugang erforscht die Autorin die Kulturpraxis dieser Computerspielevents.
Im Zentrum stehen Fragen nach "Embodiments", also Verkörperungen und Materialisationen digitaler Spielkultur. Es sind technosoziale Lebenswelten in denen die Verschränkungen digitaler Computerspielkultur und lokal-situierter Praktiken zelebriert werden. Neben Alltagspraktiken die auf einen ästhetischen Kapitalismus verweisen stechen insbesondere Körper, sowohl als Körper der Masse, als auch als individuell und oft in Szene gesetzte Körper von Akteur*innen, besonders ins Auge. Damit sehe ich in Gaming Events die Verdichtung einer Reihe von zeitgenössischen Dynamiken rund um Vergnügen, Kommodifizierung, Körper und Konsum.
Projektstart: 10/2018
Leitung: Victoria Huszka
Das Dissertationsprojekt setzt sich mit der Frage auseinander, wie Instagramnutzer.innen in Visualisierungssozialitäten Vorstellungsbilder der Region Ruhrgebiet hervorbringen. Im Zentrum des Forschungsinteresses stehen Instagram-Visualisierungen im Ruhrgebiet, verstanden als Geflecht von Medienpraktiken, die als Positionierungen in der symbolisch-diskursiven Aushandlung der Region untersucht werden. Intendiert ist die Analyse dieser Visualisierungen hinsichtlich hegemonialer und konfligierender Imaginationen von Region, die das Vorhaben angelehnt an das Theoriegerüst der Kulturellen Politischen Ökonomie (Bob Jessop) als regionale imaginaries konzeptualisiert. Zu überprüfende These ist hierbei, inwiefern über Instagram-Visualisierungen auch Vorstellungen einer neuen ökonomische Identität der Region artikuliert und symbolisch produziert werden. Über das ethnographische Vorgehen mittels Interviews, teilnehmenden Beobachtungen und digitaler Ethnographie wird die Spezifik regionaler Inszenierungen und ihrer bildpraktischen Übersetzungen empirisch greifbar. Das Forschungsvorhaben soll zudem dazu beitragen, Vergemeinschaftungsprozesse im Kontext sozialer Medien und Region als kulturelle und soziale Prozesse im Anschluss an empirisch-kulturwissenschaftliche Raum- und Gemeindeforschungen zu verstehen und ihre Bedeutung für die alltagspraktische Produktion von Region herauszuarbeiten.
English summary:
In my dissertation project, I am working on Instagram-related practices in the German Ruhr. I am investigating the meaning of social media usage for the construction and negotiation of regional imaginaries (Bob Jessop) in a post-industrial region through interviews and participant observation.
Zwischen politischem Aktivismus und Alltagspraxis: Präfigurationen queeren solidarisch-für_sorglichen Zusammenlebens
Projektstart: 04/2022
Leitung: Sascha Sistenich
Queere Menschen leben häufig früh allein und haben seltener Kinder als heteronormativ lebende Paare, da Verwandtschaft, Beziehungsmodelle und andere bedeutsame Bindungen oft entgegen gesellschaftlichen Normen konstruiert werden (Moreira 2016; Roseneil 2004; Roseneil und Budgeon 2004). Staatliche Regulierungen orientieren sich an Vorstellungen der hetero-cis-endo-normativen Biofamilie und erschweren so die Alters- und Gesundheitssorge (Hines und Santos 2018; Moreira 2018; Nay 2019). Rechtliche und gleichstellungspolitische Erfolge zeichnen sich häufig durch eine Anpassung an hetero-cis-normative Strukturen und eine Rückkehr ins Private ab, schaffen dadurch aber weitere Prekarisierungstendenzen (Laufenberg 2012; Nay 2019; Weibel 2021).
Dies schafft in den Alltagswelten queerer Menschen einen besonderen Stellenwert für Praktiken der (Selbst-)Für_Sorge (vgl. Binder und Hess 2018), da durch diese solidarisch gestaltete Handlungsformen und queere Lebensentwürfe im Kontext eines „guten Lebens“ (Fisher und Tronto 1990, S. 40) möglich werden. Maria Puig de la Bellacasa drückt mit dem Konzept des thinking with care aus, dass wir in stetigen Carebeziehungen mit etwas oder jemandem stehen und schafft damit die Basis eines solidarischen Mitdenkens, das Marginalisierung entgegenwirkt (La Bellacasa 2017, S. 71).
Jeffrey Weeks, Brian Heaphy und Catherine Donovan argumentieren, dass „through interactions in the social worlds they inhabit, non-heterosexuals shape new ways of understanding their relationships and acquire the new skills necessary to affirm the validity of different ways of life” (Weeks et al. 2001, S. 25). Queere Lebensentwürfe können so innerhalb einer sozialen Bewegung gefasst werden, die danach strebt, bestehende gesellschaftliche Normen und Vorstellungen zu hinterfragen und zu transformieren.
Das Dissertationsprojekt soll zeigen, wie in queeren Alltagswelten Vorstellungen eines für_sorglichen & solidarischen Zusammenlebens präfiguriert werden. Die aktivistische, kollaborative Forschung untersucht mithilfe teilnehmender Beobachtungen und leitfragengestützter, narrativer Interviews die Verflechtungen von Praktiken queerer (Selbst)Für_Sorge in solidarischen Beziehungsnetzwerken u.a. bei CSDs & Prides, in queerfeministischen Kollektiven und Cafés, in Wohngemeinschaften sowie in Freund:innen- und Partner:innenschaften. So wird der Frage nachgegangen, wie und welche präfigurativen Praktiken und Prozesse kollektiver queerer Solidaritäten im Nexus von Vulnerabilität, Widerständigkeit und Für_Sorge entstehen, um ein solidarisches Zusammenleben und eine solidarische Kohabitation in der Welt zu ermöglichen.
English summary:
Between political activism and everyday practice: prefigurations of queer solidary-caring coexistence
Queer people often live alone at an early age and are less likely to have children than heteronormative couples, as kinship, relationship models and other meaningful bonds are often constructed contrary to social norms (Moreira 2016; Roseneil 2004; Roseneil and Budgeon 2004). State regulations are geared towards ideas of the hetero-cis-endo-normative bio-family, making it more difficult to provide for old age and health care (Hines and Santos 2018; Moreira 2018; Nay 2019). Legal and equality policy successes are often characterized by an adaptation to hetero-cis-normative structures and a return to the private sphere, but this creates further trends towards precarization (Laufenberg 2012; Nay 2019; Weibel 2021).
In the everyday worlds of queer people, this creates a special significance for practices of (self-)care (cf. Binder and Hess 2018), as these enable solidarity-based forms of action and queer lifestyles in the context of a "good life" (Fisher and Tronto 1990, p. 40). With the concept of thinking with care, Maria Puig de la Bellacasa expresses that we are in constant care relationships with something or someone and thus creates the basis for thinking with care in solidarity, which counteracts marginalization (La Bellacasa 2017, p. 71).
Jeffrey Weeks, Brian Heaphy and Catherine Donovan argue that "through interactions in the social worlds they inhabit, non-heterosexuals shape new ways of understanding their relationships and acquire the new skills necessary to affirm the validity of different ways of life" (Weeks et al. 2001, p. 25). Queer lifestyles can thus be seen as part of a social movement that strives to question and transform existing social norms and ideas.
The dissertation project aims to show how ideas of a caring and solidary coexistence are prefigured in queer everyday worlds. The activist, collaborative research uses participant observation and narrative interviews based on guiding questions to examine the interweaving of practices of queer (self-)care in solidary relationship networks, including at CSDs & Prides, in queer feminist collectives and cafés, in shared flats and in friend and partner relationships. Thus, the question of how and which prefigurative practices and processes of collective queer solidarities emerge in the nexus of vulnerability, resistance and care in order to enable a solidary coexistence and cohabitation in the world is explored.
Kooperation und Verweigerung
Projektstart: 07/2022
Leitung: Sarah Spasiano
Der Weg über das zentrale Mittelmeer nach Europa gilt als die gefährlichste Fluchtroute der Welt. Immer wieder ertrinken dabei Menschen. Seit dem Jahr 2014 sind zivile Seenotrettungsorganisationen im zentralen Mittelmeer aktiv, um dies zu verhindern und die staatlichen Seenotrettungsstrukturen zu ergänzen. Allerdings wird ihre Arbeit immer wieder durch neue policies eingeschränkt, behindert und kriminalisiert.
Die Dissertation beschäftigt sich damit, auf welche Art verschiedene Akteure an der (zivilen) Seenotrettung beteiligt sind und zusammenarbeiten. Besonders frage ich danach, wie sich die Kooperationen oder die Verweigerung von Kooperation zwischen zivilen und staatlichen Akteuren auf das Sterben bzw. das Sterben-Lassen von Flüchtenden im Mittelmeer auswirken. Die Arbeit schließt an Forschungen aus der kritischen Migrationsforschung und den border studies an. Das qualitative Forschungsdesign umfasst eine ethnologische Feldforschung mit teilnehmender Beobachtung und Interviews mit Vertreter*innen von Seenotrettungsorganisationen und staatlichen Stellen.
Die Promotion ist Teil des Projekts „Zivile Seenotrettung als Kristallisationspunkt des Streits um Demokratie (ZivDem)“ und steht in engem Austausch mit weiteren Arbeiten im Projekt, das an der Schnittstelle von Fluchtforschung und Demokratietheorie die Praxis der und den europäischen Diskurs um die (zivile) Seenotrettung im Mittelmeer in den analytischen Fokus nimmt.
Lehrforschungsprojekte
In einjährigen Lehrforschungsprojekten veröffenlichen Studierende ihre Forschungsergebnisse. Zu jährlich wechselnden Themen führen die Studierenden ein angeleitetes Forschungsprojekt durch. Die Ergebnisse der Projekte werden in Form von Ausstellungen, Buch- oder Blogpublikationen, öffentlichen Präsentationen & Interventionen zugänglich gemacht.