Limes und Legion
Die Wirkmächtigkeit römischer Militärpräsenz am Niedergermanischen Limes. Edition und Interpretation archäologischer Quellen.
Die vier römischen Legionsstützpunkte in Bonn, Neuss, Xanten und Nijmegen tragen noch immer ungeborgene Wissensschätze über das facettenreiche Leben der Römer am Niederrhein in sich. Sie bilden dort von der frühen Kaiserzeit bis teils in die Spätantike die militärischen Hauptstandorte. Das Projektteam wird die in über 150-jähriger Sammel- und Ausgrabungstätigkeit gewonnenen archäologischen Materialien der Legionslager mit Hilfe moderner digitaler und naturwissenschaftlicher Methoden erforschen. Das Langzeitvorhaben, das Bund und Länder gemeinsam im Forschungsprogramm der deutschen Wissenschaftsakademien fördern, wird in enger Kooperation mit dem LVR-LandesMuseum Bonn, der Ludwig-Maximilians-Universität München und der Universität Nijmegen durchgeführt.
Legionslager, deren Truppen in der frühen Kaiserzeit noch aus den mediterranen Kerngebieten stammten, waren eine Art Mikrokosmos Roms. Gut erkennen lässt sich dies beispielsweise an den stadtähnlichen Militäranlagen, der Ernährungsweise oder auch den Importen. Und auch wenn die Forschung nicht bei Null beginnt, lässt sich bislang etliches nur erahnen. Dank moderner geophysikalischer Prospektionsverfahren und neuer Möglichkeiten der Fernerkundung stellen sich die in der älteren Forschung häufiger als Inseln betrachteten Legionslager inzwischen als Zentren eines dicht bebauten und intensiv genutzten Umlandes dar. Darüber hinaus erlauben neue naturwissenschaftlichen Analysemethoden Einblicke in die Ernährungsgewohnheiten, Gesundheit oder Mobilität der Bewohner. In der ersten Phase des Projekts liegen die Schwerpunkte auf den Legionslagern Bonn, Neuss und Nijmegen.
Der Legionsstandort Bonn
Der Legionsstandort Bonn (Christoph Lindner)
Bonn war – begünstigt durch seine Lage im rohstoffreichen Süden der Kölner Bucht – bereits in vorrömischer Zeit ein wichtiger Siedlungsplatz. Von der augusteischen Zeit bis in die Spätantike war es ein bedeutender römischer Militärstandort, an dem aufeinanderfolgend die Legionen I Germanica, XXI Rapax und I Minervia stationiert waren. Das Legionslager, das Castra Bonnensis oder Castra Bonnensia genannt wurde, erfuhr mehrere Umbauphasen. Im Umfeld des Militärlagers entstanden zudem die canabae legionis und der vicus Bonna. Das Teilprojekt wird (Alt-)Grabungen, die vom 19. Jahrhundert bis heute in dem trotz der dichten modernen Überbauung am besten erhaltenen Legionslager nördlich der Alpen durchgeführt wurden, aufarbeiten. Das Ziel ist es, die Geschichte des Legionsstandortes mit Hilfe moderner digitaler und naturwissenschaftlicher Methoden gesamtheitlich darzustellen und in die überregionale Entwicklung des Römischen Reichs einzubinden.
Die Fundmünzen aus dem Legionslager Bonn und seiner Umgebung (Holger Komnick)
Im Fokus des Teilprojekts stehen die antiken Fundmünzen aus dem heute im Stadtteil Castell gelegenen Bonner Legionslager und seiner unmittelbaren Umgebung. Bereits 1582 erwähnt Jacobus Campius in einem Brief an den Philologen Franciscus Modius im Bereich des Wichelshofes in großer Anzahl aufgefundene Münzen („Vigelshoven […] veterum numismatum ab Augusto, Tiberio, Nerone, ad Graecos usque Imperatores Constantinos, Valentinianos, magna copia reperitur“). Im Zuge archäologischer Untersuchungen, i.e. Grabungen sowie baubegleitender Maßnahmen, wurden ab 1818 bis in die Gegenwart hinein wiederholt Münzen in verschiedenen Kontexten geborgen. Das Desiderat einer Gesamtvorlage der aus dem Legionslager, der Lagervorstadt (canabae legionis), der Zivilsiedlung (vicus) und den Gräberfeldern stammenden Münzen soll nun im Rahmen des Projektes Limes und Legion behoben werden. Zusätzlich zu einer ersten auswertenden Kommentierung des zusammengetragenen Materials ist ein Vergleich mit dem Fundmünzaufkommen anderer Lagerstandorte entlang des Rheins geplant.
Das Gräberfeld des Bonner Legionslagers an der Irmintrudisstraße (Jana Wertz)
Ein weiteres Augenmerk liegt auf dem Gräberfeld des Legionslagers. Im Rahmen einer Dissertation wird eine Grabung im Bereich der heutigen Irmintrudisstraße aus dem Jahr 1999 ausgewertet, bei der etwa 330, größtenteils spätantike, Bestattungen zutage kamen. Die Verstorbenen wurden zumeist unverbrannt beigesetzt und erhielten viele Beigaben. Durch das Zusammenspiel von Archäologie und Naturwissenschaften ist es möglich, umfassende Erkenntnisse über Mobilität, Ernährungsgewohnheiten und lokale Bräuche der einstigen Bewohner des römischen Bonn zu gewinnen. Ein Bezug zum Militär kann anhand soldatischer Ausrüstungsstücke in den Gräbern hergestellt werden. Es bietet sich hier mit der Analyse des größten antiken Bonner Friedhofs die einmalige Chance, mehr über die einzelnen Militärs und Bewohner der Römerzeit zu erfahren.
Osteobiographien am römischen Limes: Skelettreste aus dem Gräberfeld Bonn–Irmintrudisstraße (Alessia Bareggi)
Im Rahmen einer Dissertation werden die menschlichen Skelettreste aus dem in unmittelbarer Nähe des Legionslagers liegenden spätkaiserzeitlichen Gräberfeld Bonn-Irmintrudisstraße umfassend analysiert. Anthropologische Daten zu Demographie, Gesundheitszustand, Mobilität und Lebensstil der Bestatteten werden mit den archäologischen Befunden verglichen, um die Lebensbedingungen der in Bonn stationierten Armee und der mit dem Legionslager verbundenen Zivilbevölkerung zu rekonstruieren. Ein weiteres Ziel dieser Studie ist es, durch eine interdisziplinär integrierte Analyse biomolekularer und osteologischer Daten Lebensverlaufsübergänge (z. B. Entwöhnung, Pubertät, reproduktive Seneszenz) und reproduktive Ereignisse (z. B. Schwangerschaft und Geburt) in dieser Gemeinschaft zu untersuchen. Die Erforschung von Fruchtbarkeit und Fortpflanzungsstrategien der in Bonn-Irmintrudisstraße Bestatteten hat das Potenzial, bisher beispiellose Einblicke in grundlegende Aspekte des Lebens im römischen Bonn zu bieten und gleichzeitig neue Perspektiven auf die soziale Organisation und Bevölkerungsdynamik an der niederdeutschen Grenze des Römischen Reiches zu eröffnen.
Die Grabmonumente der römischen Nekropolen Bonns (Werner Oenbrink)
Im Mittelpunkt des Teilprojektes stehen die oberirdischen Grabdenkmäler unterschiedlicher Form aus den verschiedenen Nekropolen und Gräberfeldern des römischen Bonn. Zusätzlich zu den oftmals erhaltenen Relief- und Inschriftenstelen lassen sich anhand zahlreicher Fragmente aufwendige Grabmonumente und Sepulkralarchitekturen erschließen. Grabdenkmäler eignen sich in besonderem Maße für Untersuchungen zu soziokulturellen Strukturen und Entwicklungen in den lokalen städtischen Gemeinschaften und darüber hinaus im regionalen Umfeld der römischen Provinzen. Ziel des Teilprojektes ist es die insbesondere während des städtischen Ausbaus im ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhundert geborgenen, später im Zuge archäologischer Untersuchungen, Grabungen sowie baubegleitender Maßnahmen geborgenen Grabmäler und Architekturglieder erstmals vollständig zu erfassen, wenn möglich zu rekonstruieren und in ihrem jeweiligen räumlichen Kontext und ihrem soziokulturellen Umfeld zu verorten.
Der Legionsstandort Neuss
Der Legionsstandort Neuss (Uta Schröder)
Der antike Legionsstandort Novaesium, das heutige Neuss, ist einer der ältesten römischen Militärstandorte in Niedergermanien. Spätestens seit der augusteischen Zeit wurden hier in zeitlicher Abfolge immer wieder Legions- und Auxiliarlager errichtet. Das wohl bekannteste Lager ist das sogenannte „Koenenlager“, welches nach seinem Ausgräber Constantin Koenen benannt wurde. Es gilt wegen seiner frühen und großflächigen Freilegung als idealtypisches Legionslager. Neben diesem einmaligen Befund wurden im Laufe der Jahre viele weitere römische Befestigungsanlagen in Neuss ergraben, über die bisher wenig bekannt ist. Die einzelnen Lager haben über ihre Infrastruktur, wie Siedlungen, Gutshöfe und Gräberfelder, wiederum ihr Umfeld geprägt. Die einzelnen Fundstellen sind vor allem durch Grabungen bekannt, konnten jedoch bisher nicht in Gänze ausgewertet werden. Aufgabe des Teilprojektes ist es, sowohl Altgrabungen aufzuarbeiten als auch den Fundplatz gesamtheitlich zu betrachten. Neuss bietet die Möglichkeit, den Wandel eines römischen Militärstandorts vom Beginn der römischen Kaiserzeit bis in die Spätantike hinein zu verfolgen.
Die numismatische Analyse der Fundmünzen aus Neuss (Rahel Otte)
Das Teilprojekt beschäftigt sich mit den Fundmünzen aus dem Legionslager in Neuss und seiner Umgebung. Bereits seit den ersten Ausgrabungen im Koenenlager wurden Fundmünzen intensiv zur Rekonstruktion seiner Geschichte genutzt, insbesondere für die Datierung seines Baus und seiner Auflassung. Auch heute haben sie eine Schlüsselrolle für die zeitliche Einordnung der frühen Neusser Lager inne. Münzfunde aus Neuss wurden zwar bereits publiziert, können aber inzwischen durch Neufunde ergänzt werden. Eine umfassende Analyse der Münzreihe erfolgte bislang nicht und soll nun im Rahmen des Projektes geleistet werden. Dabei steht die Auswertung der räumlichen Verteilung der Münzen im Vordergrund. Der Vergleich mit den Lagern in Bonn, Xanten und Nijmegen verspricht ebenfalls neue Erkenntnisse.
Der Legionsstandort Nijmegen
Die Gräberfelder in Nijmegen-Ost (Erik Timmerman)
Mehr als ein Jahrhundert archäologischer Forschung hat uns ein gutes Bild der verschiedenen militärischen (und zivilen) Standorte in Nijmegen während der Römerzeit vermittelt. Gleichzeitig ist noch nicht viel über die Menschen bekannt, die an diesen Orten lebten, obwohl in Nijmegen im Laufe der Jahre eine große Anzahl römischer Gräber als wichtige Informationsquelle ergraben werden konnte. Viele dieser Ausgrabungen sind jedoch noch nicht ausgewertet, so dass das große Potenzial dieses Materials noch weitgehend ungenutzt ist. Ziel dieses Teilprojektes ist es daher, die römischen Gräberfelder in Nijmegen-Ost systematisch zu erschließen. Mit diesem umfangreichen Datensatz und unter Verwendung moderner Analysemethoden lassen sich wichtige Erkenntnisse wie Ernährungsgewohnheiten, lokale Sitten und Mobilität zu den Bewohnern des römischen Nijmegen gewinnen.
Projektdaten
Projektleitung
Prof. Dr. Dr. h.c. Jan Bemmann
Koordination
Mitarbeiter*innen
Alessia Bareggi MA, Dr. Holger Komnick, Dr. Christoph Lindner, PD Dr. Werner Oenbrink, Dr. Uta Schröder, Dr. Erik Timmermann, Jana Wertz MA
Prof. Dr. Michael Schmauder, LVR-Museum Bonn
Prof. Dr. Salvatore Ortisi, Ludwig-Maximilans-Universität München
Dr. Rien Polak, Radboud University Nijmegen
Forschungsprogramm der deutschen Wissenschaftsakademien
Folgt noch
Kontakt
Prof. Dr. Dr. h.c. Jan Bemmann
Universitätsprofessor für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie
R. 3.063
Brühler Straße 7
53119 Bonn
Dr. Eva Rosenstock
Coordinator BoCAS and Limes & Legion, Lecturer
AVZ III, R. 2.024
Römerstraße 164
53117 Bonn